PRESSEMITTEILUNG

Kardinal Walter Kasper: Geistliche Bewegungen geben der Ökumene neuen Schwung

Initiative „Miteinander für Europa“ erhält Ökumenepreis 2008


STUTTGART, 15. November 2008 – Geistliche Gemeinschaften und Bewegungen in allen christlichen Kirchen könnten der Ökumene einen neuen Schwung geben, sagte Kardinal Walter Kasper, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, am Samstag (15.11.) in Stuttgart. Der Kardinal sprach vor rund 400 Vertretern von 60 Gemeinschaften anlässlich der Verleihung des Ökumenepreises von Förderverein und Initiative Unità dei Cristiani e.V. an das internationale Leitungskomitee „Miteinander für Europa – Miteinander auf dem Weg“. Es habe im zurückliegenden Jahrzehnt etwa 250 geistliche Gemeinschaften zum Engagement für ein christliches Europa zusammengeführt. Dies hätten die Kongresse in Stuttgart 2004 und 2007 mit 10.000 bzw. 8.000 Teilnehmern aus rund 15 Nationen bewiesen.

Kardinal Kasper betonte, die Gemeinschaften könnten durch ihr Miteinander zeigen, dass es nicht um abgrenzende Profilierung gehe. Ökumene solle nicht wegnehmen, was zur jeweiligen konfessionellen Identität gehört, sondern einander durch Begegnung und Austausch bereichern: „Über die Bibel haben sich die Konfessionen getrennt, über die Bibel müssen wir auch wieder zusammenfinden.“ Die Gemeinschaften sollten sich auf allen Ebenen kirchlichen Lebens einbringen und ökumenische Ereignisse anregen.

Mit der Verleihung des mit 12.500 Euro dotierten Preises sei die Hoffnung verbunden, dass die geistlichen Gemeinschaften ihren Einsatz in Gesellschaft und Kirche fortsetzen und dadurch zur geistlichen Erneuerung sowie zur Einheit der Christen beitragen. Der Betrag soll, so Gerhard Proß von der Miteinander-Initiative, für den weiteren Weg des Miteinanders der Bewegungen verwendet werden. Einheit in der Vielfalt sei möglich, gleichzeitig werde aber auch die Identität der einzelnen Gruppen gestärkt. Gemeinschaften und Kirchen sollten deshalb keine Angst vor dem Miteinander haben. Die Initiative „Miteinander für Europa“ ist ein internationales Netzwerk von rund 250 christlichen Bewegungen und Gemeinschaften aus ganz Europa. Sie entstand 1999 und verbindet evangelische, katholische, anglikanische und orthodoxe Christen ebenso wie Mitglieder von Freikirchen und neuen Gemeinden.

Im Rahmen eines Ökumenischen Gottesdienstes in der Stiftskirche hatte der Landesbischof der Evangelischen Landeskirche von Württemberg, Frank Otfried July, das lange Nebeneinanderher der Kirchen bedauert. Die Kirchen sollten aber nicht um ihre spezifischen Eigenheiten kreisen, sondern Wege zueinander und zu einer versöhnten Verschiedenheit suchen. Die amtliche Ökumene zwischen den Kirchenleitungen habe viel mehr gebracht, als viele vor einem halben Jahrhundert zu träumen gewagt hätten. „Auch wenn wir das Ziel noch nicht erreicht haben, kann sich das bisherige Ergebnis doch sehen lassen.“ Beispielhaft nannte er die gegenseitige Anerkennung der Taufe sowie die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre (1999). Die Frage der Ökumene dürfe nicht auf das Thema des gemeinsamen Abendmahls reduziert werden. Die Christenverfolgung z. B. in Indien sei für Christen aller Kirchen ein Grund, sich füreinander einzusetzen, sagte Kasper gegenüber Medienvertretern.

Der Präsident des päpstlichen Einheitsrates verwies auf die Wertschätzung, die Papst Benedikt XVI. und sein Vorgänger Johannes Paul II. gegenüber den geistlichen Bewegungen ausdrückten. Die Gemeinschaften „leben Geschwisterlichkeit und bilden damit ein staaten- und konfessionsübergreifendes Netzwerk“. Zugleich bedauerte Kasper, dass die neuen Gemeinschaften und Bewegungen in Deutschland nur spärlich vertreten seien: „Ein wichtiger Impuls der Erneuerung und der Ökumene ist zu unserem eigenen Nachteil weitgehend an uns vorbeigegangen.“

Staatssekretär Hubert Wicker, Chef der Staatskanzlei und Kirchenbeauftragter der baden-württembergischen Landesregierung, appellierte an die Christen, ihre gemeinsamen Wertvorstellungen ins Arbeits- und Wirtschaftsleben einzubeziehen. Sie sollten sich zudem in den europäischen Einigungsprozess einbringen. Insbesondere die Kirchen vermittelten Werte und Orientierung in einer unübersichtlich werdenden, globalisierten Welt. Die Europaabgeordnete Elisabeth Jeggle betonte, erst aus dem Dialog miteinander könne auch Respekt voreinander und Solidarität miteinander entstehen. „Das christliche Abendland“ dürfe nicht zu einer Worthülse verkommen, deshalb sollten Christen ihr Christsein im Alltag leben.

Der 2001 gegründete Förderverein Unità dei Cristiani (Biberach/Riss) hat ca. 350 Mitglieder aus vielen christlichen Kirchen und Gemeinschaften. Er unterstützt Gremien, Institute und Zentren, die das ökumenische Miteinander zum Ziel haben. Zum zweiten Mal wurde nun der Ökumenepreis vergeben.