Kardinal Walter Kasper

Walter Kasper wurde am 5. März 1933 in Heidenheim an der Brenz geboren. Das Gymnasium besuchte er in Göppingen an der Fils, Wangen im Allgäu und Ehingen an der Donau, wo er 1952 das Abitur ablegte. Während seiner Gymnasialzeit schloss er sich dem aus der katholischen Jugendbewegung hervorgegangenen Bund Neudeutschland an, dessen Programm der neuen Lebensgestaltung in Christus ihn ebenso prägte wie die Schriften von Romano Guardini. Nach dem Abitur hatte er bei seinem ersten Rombesuch zusammen mit etwa 20 gleichaltrigen Bundesbrüdern eine Begegnung mit Papst Pius XII. Diese Begegnung hinterließ einen bleibenden tiefen Eindruck.

Nach der Gymnasialzeit studierte Walter Kasper Philosophie und Katholische Theologie an den Universitäten Tübingen und München. Dort machten ihn seine theologischen Lehrer (J. R. Geiselmann, F. X. Arnold, H. Fries) mit der Theologie der großen Tübinger Theologen des 19. Jahrhunderts, besonders mit Johann Adam Möhler, sowie mit dem zweiten großen Wegbereiter der Theologie des 20. Jahrhunderts, John Henry Newman, vertraut. Möhler und Newman haben seinen theologischen Weg nachhaltig beeinflusst. Außerdem schrieb er während des Studiums eine Preisarbeit über Thomas von Aquin. Im Geist dieser großen Gestalten der Theologie waren für Walter Kasper die feste Verwurzelung in der Tradition und die Offenheit für neue Fragestellungen und Herausforderungen nie ein Gegensatz. In der Konsequenz lehnt er für sich die klischeehafte Einordnung als konservativ oder progressiv entschieden ab.

Nach dem Ende seines Studium 1956 und einem Jahr im Priesterseminar in Rottenburg am Neckar wurde Walter Kasper am 6. April 1957 durch Bischof Carl Joseph Leiprecht im Dom zu Rottenburg zum Priester geweiht. Darauf folgte ein Jahr als Vikar in der Gemeinde Herz Jesu, Stuttgart. Schon 1958 rief ihn der Bischof als Repetent am Theologenkonvikt Wilhelmsstift nach Tübingen zurück. Neben dem Aufbaustudium war er in der Klinikseelsorge tätig und half in der Pastoral in verschiedenen Gemeinden der Diözese mit. Schon nach drei Jahren konnte sich Walter Kasper 1961 an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen mit einer Arbeit über „Die Lehre von der Tradition in der Römischen Schule” zum Dr. theol. promovieren. Zur Vorbereitung der Promotion verbrachte er zwei kurze Aufenthalte zu Bibliotheks- und Archivarbeiten in Rom.

Nach der Promotion war Walter Kasper als Wissenschaftlicher Assistent (1961-1964) bei Professor Leo Scheffczyk und Professor Hans Küng tätig. Kasper interessierte sich nun vor allem für die moderne Geistes-, Philosophie- und Theologieschichte. Nach drei Jahren als Assistent erfolgte 1964 an der Universität Tübingen die Habilitation im Fach Dogmatik mit der Untersuchung „Das Absolute in der Geschichte. Philosophie und Theologie der Geschichte in der Spätphilosophie Schellings“.

Noch im selben Jahr erreichte ihn mit nur 31 Jahren die Berufung auf die Professur für Dogmatik an der katholisch-theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelmsuniversität Münster als Nachfolger des späteren Kardinal Hermann Volk. Er war damit damals der jüngste deutsche ordentliche Professor. Fakultätskollegen in Münster waren u.a. Joseph Ratzinger, Johann Baptist Metz und, nach dem Weggang Joseph Ratzingers nach Tübingen, Karl Rahner, dessen frühe Schriften Walter Kasper schon während seines Studiums beeindruckten. Nach einer nicht angenommenen Berufung an die Universität Freiburg i. Br. folgte 1970 die Berufung an die heimatliche Eberhard-Karls-Universität Tübingen, wo u.a. Hans Küng und Max Seckler lehrten. Sowohl 1969/70 in Münster wie 1971/72 in Tübingen bekleidete Kasper das Amt des Dekans. 1983 war er Gastprofessor an der Catholic University of America in Washington D.C.

Die wichtigsten wissenschaftlichen Arbeiten betrafen Grundlagenfragen der Theologie und Dogmatik, die Christologie wie die Gottes- und Trinitätslehre. Die Bücher „Jesus der Christus“ (1974) und „Der Gott Jesu Christi“ (1982) erlebten viele Auflagen und wurden in vielen Sprachen übersetzt. In den Umbruchsjahren nach dem Konzil fand die „Einführung in den Glauben“ (1972) international weite Verbreitung. Bei der Außerordentlichen Bischofssynode 1985 wurde Walter Kasper zum Theologischen Sekretär bestellt; ebenfalls wurde er in die Internationale Päpstliche Theologenkommission berufen.

Am 4. April 1989 wurde Walter Kasper als Nachfolger von Bischof Georg Moser zum Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart gewählt, am 17. April durch Papst Johannes Paul II. ernannt und am 17. Juni 1989 durch den Erzbischof von Freiburg im Breisgau, Oskar Saier, im Dom zu Rottenburg geweiht. Der Wahlspruch als Bischof lautet „Veritatem in caritate“, „Die Wahrheit in der Liebe“. Als Bischof einer großen Diözese konnte Walter Kasper Seelsorger sein, wozu er sich bereits in seiner Jugend berufen wusste und entschieden hatte. Angesichts der immer dringlicher werdenden pastoralen Probleme griff er das Thema der neuen Evangelisierung auf. Schon bei der Erarbeitung des Katholischen Erwachsenenkatechismus „Das Glaubensbekenntnis der Kirche“ (1985) hatte er die Hauptarbeit geleistet. Als Bischof lagen ihm die regelmäßigen Besuche in den Gemeinden, bei den Gemeinschaften der Diözese und bei den Ausländer-Missionen besonders am Herzen.

In der Deutschen Bischofskonferenz war Bischof Kasper Vorsitzender der Kommission Weltkirche und stellvertretender Vorsitzender der Glaubenskommission. Als Vorsitzender der Kommission Weltkirche führten ihn viele Pastoralreisen in Länder der Dritten Welt, bei denen er mit Armuts- und Elendssituationen und mit den Problemen der Entwicklung und des Friedens in der Welt vertraut wurde. Die theologische Arbeit ging unterdessen vor allem als Hauptherausgeber der Neuauflage des elfbändigen Lexikons für Theologie und Kirche (1993-2001) weiter.

Die Berufung zum Sekretär des Päpstlichen Rats für die Einheit der Christen in Rom bedeutete an Pfingsten 1999 den Abschied von der Diözese und von der Heimat. Am 21. Februar 2001 wurde Bischof Walter Kasper von Papst Johannes Paul II. zum Kardinal erhoben, seine Titelkirche ist Ognissanti an der Via Appia Nuova. Gleichzeitig ernannte ihn Johannes Paul II. zum Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen und damit verbunden zum Präsidenten der Päpstlichen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum. Beide Aufgaben erforderten einen engen persönlichen Kontakt zu den Gesprächspartnern und brachten wiederum viele Reisen in alle Welt mit sich. Kardinal Kasper legte den Schwerpunkt seiner ökumenischen Arbeit auf die Grundlegung und Förderung der geistlichen Ökumene.

Außerdem war Kardinal Kasper Mitglied der Glaubenskongregation, der Kongregation für die Orientalischen Kirchen, der Apostolischen Signatur, des Päpstlichen Rates für die Auslegung der Gesetzestexte, des Päpstlichen Rates für die Kultur und des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog. 2005 wurde er von der Bischofssynode in den Ständigen Rat der Synode gewählt. Am 1. Juli 2010 hat Papst Benedikt XVI. den altersbedingten Amtsverzicht von Kardinal Kasper angenommen. Zu seinem Nachfolger wurde der Bischof von Basel, Dr. Kurt Koch, ernannt.

Die Emeritierung bedeutete nicht Ruhestand. Die Theologie, das ökumenische Engagement und die Seelsorge ließen Walter Kasper nicht los. Es folgte die Veröffentlichung eines schon während der Tübinger Zeit geplanten Bandes zur Ekklesiologie mit dem Titel „Katholische Kirche. Wesen-Wirklichkeit-Sendung“ (2011) und das Buch „Barmherzigkeit – Grundbegriff des Evangeliums und Schlüssel christlichen Lebens“ (2012), das für Papst Franziskus und das von ihm ausgerufene Heilige Jahr der Barmherzigkeit wichtig und in viele Sprachen übersetzt wurde. Anlässlich der Bischofssynoden 2014/15 sorgte der Vortrag vor dem Konsistorium der Kardinäle über „Das Evangelium von der Familie“ (2014) für viel Diskussion und konnte Grundlagen für von Papst Franziskus angestrebte pastorale Öffnungen legen.

Die Herausgabe der 18 Bände der Gesammelten Schriften wurde von Professor P. Dr. George Augustin und Prälat Dr. Klaus Krämer im Jahr 2007 in Angriff genommen und wird voraussichtlich im Jahr 2017 abgeschlossen sein.

Sein Selbstverständnis als Theologe und sein Verständnis von Theologie hat Kardinal Walter Kasper in dem Vortrag „Was heißt es Theologie zu treiben?“ im Rahmen der Salzburger Hochschulwochen im August 2006 dargelegt, ausführlich auch in den Bänden 6 und 7 der Gesammelten Schriften. Die Grundlagen seiner ökumenischen Theologie finden sich in „Wege der Einheit“ (2005), ausführlich in den Bänden 14 und 15 der Gesammelten Schriften.

Zur Biographie: W. Kasper, Wo das Herz des Glaubens schlägt. Zur Erfahrung eines Lebens, Freiburg i. Br. 2008; Ders., Katholische Kirche, Freiburg i. Br. 2011, 19-67.