Gott zuerst - auch in der Ökumene
Der Weltenwanderer: Pallottinerpater George Augustin

„America first – Amerika zuerst“. Wie sehr klingt uns dieser Slogan von US-Präsident Donald Trump noch im Ohr. Wenn dagegen jemand wie George Augustin Kulturen, Länder und Religionen studiert und kennen gelernt hat, dann kommt für ihn eine Inthronisation einer weltlichen Macht nicht mehr in Frage. Er setzt einen Gegenpol und formuliert: „God first - Gott zuerst.“ Was ist der Hintergrund?

Einfach formuliert lautet der Hintergrund: George Augustin. Es sind die Begegnungen und die Biografie des Pallottinerpaters, die sein Denken geprägt haben. Der aus dem indischen Kerala stammende Theologe ist seit 1978 Pallottiner, lebte als Missionar unter den Ureinwohnern Indiens, promovierte dann 1985 bis 1992 in Deutschland, wurde Priesterseelsorger und Hochschulprofessor und gründete 2005 das Kardinal Walter Kasper Institut an der pallottinischen Vinzenz-Pallotti-University (ehemals Philosophisch-theologische Hochschule Vallendar, PTHV), wo er mit den Schriften Walter Kaspars Theologie, Ökumene und Spiritualität weltweit vernetzt.

Anfänge als Missionar

Denn auch Ökumene und Interreligiosität ist George Augustin in die Wiege gelegt worden. Getauft ist er in einer orientalisch-katholischen Kirche nach dem syro-malabarischen Ritus. Als er neben Theologie auch noch Biologie studierte, lernte er dabei viele Hindus und Muslime kennen, die auch zu seiner Priesterweihe kamen. Als Missionar lebte er unter lateinischen Katholiken mit der indigenen Bevölkerung Nord-Ost-Indiens. Augustin sagt von seinem Land, dass es sehr spirituell ist. „Ob man Hindu ist oder Muslim oder Sikh oder Anhänger einer anderen Religion: Menschen leben ihre Religion als Verbindung zur Transzendenz. Diese Dimension ist wichtiger als das Soziale.“

Folgerichtig sagt Augustin daher, dass ein Christentum, das sich auf sozial Nützliches beschränke, keine Zukunft habe. Zukunft habe nur ein ökumenisch gelebtes Christentum, das eine Leidenschaft für Gott ausstrahlt, nach dem Motto: Gott zuerst. Und dies gelte auch für den Weg in der Ökumene. „Gemeinsam das Evangelium entdecken, gemeinsam Gott anbeten und gemeinsam missionarisch Zeugnis geben für das Evangelium. Mit Christen, die geistlich diesen Weg vorangehen, werden die Kirchen auch ökumenisch eine gemeinsame Basis finden.“ Daher ist Augustin auch immer im Herzen Missionar geblieben, wenn er von der Gewissheit spricht, „dass unser christlicher Glaube schön ist und dass es sich lohnt, ihn weiterzugeben“.

Dieses Weitergeben ist für den mit der Landwirtschaft aufgewachsenen George Augustin immer eine pragmatische Angelegenheit im hier und heute. Global denken, lokal handeln, diese Maxime hat er sich schon als Missionar in Nordindien zu eigen gemacht, wo er mit Zement und Eisenträgern hantierte und Baumaßnahmen für Schulgebäude beaufsichtigte.

Gott eint – Trennt Christus?

Am 1. Oktober 2021 ist George Augustin 65 Jahre alt geworden. Ein Zeitpunkt, um zurückzuschauen und nach vorne zu blicken. Auf die Kindheit im katholisch geprägten Kerala, seine Missionarszeit und seinen Wechsel nach Deutschland. Nicht zuletzt seine Berührungen mit Hinduismus, Islam und Naturreligionen führten ihn zu einer Doktorarbeit, die am Ende den Titel trug: „Gott eint – Trennt Christus?“, welche er bei dem damaligen Professor Walter Kasper begann und sie abgab, als dieser schon Bischof von Rottenburg-Stuttgart war. Denn Jesus Christus ist für Augustin das Zentrum seines Denkens, und er wollte zeigen, dass die Einzigartigkeit Jesu Christi die Grundlage einer christlichen Religionstheologie sein müsse.

Damit widersprach er dem Ansatz, dass der Gottesgedanke die Menschheit eine, der Glaube an Christus aber die Menschen trenne. Der Glaube, dass Gott in Jesus die Menschen annimmt, heilt und erlöst, ist für ihn „keine Herabsetzung anderer Religionen, sondern die Weitergabe eines Geschenks“. Diese Botschaft weiterzusagen ist für Augustin eine Tat der Nächstenliebe. Mit Überzeugung sagt er heute noch vor diesem Hintergrund: „Alle Menschen sind Kinder Gottes. Es gibt nur einen Gott und eine Menschheit.“ Und dieser Gott steht für ihn an erster Stelle.

Was dies heißt, das dekliniert Augustin, der auch Konsultor der Kleruskongregation und Mitglied im Internationalen Rat für Katechese ist, auch in seinem neuen Buch „Gott zuerst“ durch - ein Gespräch über sein Leben und seinen Glauben. Er zeigt, dass Kirche keine Organisationseinheit sein soll, sondern aus Menschen bestehen solle, die Gott ausstrahlen – als Menschen unter Menschen, wie es Vinzenz Pallotti vorgelebt hat. daher sagt er auch: „Kirche sind wir alle. Jeder Mensch, der mit Gott verbunden lebt, das ist für mich Kirche.“ Die einzige Struktur, die festgelegt sei, ist für Augustin die sakramentale Struktur. Denn schließlich – wie kann es anders sein – spiegelt diese das Prinzip wider: Gott ist im Zentrum. Gott zuerst.

Alexander Schweda

Buchtipp

George Augustin:
Gott zuerst
Ein Gespräch über die Zukunft des Glaubens.
152 Seiten / 19,00 Euro
Matthias Grünewald Verlag, Ostfildern 2021