Laudatio bei der Ökumene-Preis-Verleihung des Fördervereins und der Initiative „Unità dei Cristiani“

von Kardinal Walter Kasper

Stuttgart 15. November 2008

Die Lobpreisgruppe der Gemeinschaft Immanuel aus Ravensburg hat uns musikalisch auf die heutige Versammlung eingestimmt. Für manche unter uns mögen das neue und ungewohnte Klänge gewesen sein – jung, bewegt, aber auch nachdenklich. Die Gemeinschaft Immanuel hat in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen gefeiert. An ihrem Beispiel lässt sich recht gut die Entwicklung einer neuen geistlichen Gemeinschaft erkennen. Ein geistlich-spiritueller Aufbruch stand am Anfang, ein Jugendgebetskreis, in dem Jugendliche eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus suchten. Daraus entwickelte sich ein Jugendzentrum und schließlich 1988 eine Gemeinschaft mit festerer Bindung. 1993 konnte Immanuel als katholische Laiengemeinschaft anerkannt werden! Dies geschah in meiner Bischofszeit. Evangelisierung und Lobpreis, „Gott erleben und bezeugen“ – dies sind die Leitworte der Gemeinschaft – das ist ihre Mitte und ihr Ziel.

Immanuel ist einer der vielen Aufbrüche in der jüngeren Geschichte der Kirche. Es begann mit den Aufbrüchen zwischen den beiden Weltkriegen im letzten Jahrhundert – man denke an die Liturgische Bewegung oder die Bibelbewegung, welche das II. Vatikanische Konzil vorbereiteten. Nach 1945 folgten neue Aufbrüche aufgrund der bitteren Kriegserfahrungen, etwa die ersten Fokolare um Chiara Lubich im zerstörten Trient oder die Gründung der inzwischen weltweit bekannten Gemeinschaft von Taizé durch Frère Roger Schütz. In der evangelischen Kirche bildeten sich schon früh neue religiös-soziale Zusammenschlüsse und Gemeinschaften, z.B. die verschiedenen internationalen Zweige des CVJM. Die Wiederentdeckung des gemeinschaftlichen Lebens brachte im evangelischen Raum neue Bruder- und Schwesternschaften hervor, etwa die Marienschwestern oder die Bruderschaft vom Gemeinsamen Leben.

Schließlich waren die 60er Jahre im Gefolge des II. Vatikanischen Konzils Jahre des Aufbruchs nicht nur in der Kirche, sondern auch in der Gesellschaft, vor allem in der 68er-Bewegung, sondern auch in neu entstehende geistliche Gemeinschaften, etwa Sant’Egidio, Chemin Neuf oder die charismatischen Gemeindeerneuerung. Sie demonstrierten nicht auf den Straßen, sondern suchten und fanden Impulse in der Bibel, sammelten sich in Gebetsgruppen, entdeckten Wege der Neuevangelisierung, engagierten sich an sozialen Brennpunkten und alle dies in einer damals neuen ökumenischen Offenheit.

In diesen Aufbrüchen geht der Same auf, den nach christlicher Tradition das Blut der Märtyrer, auch das der unzähligen neuen Märtyrer des 20. Jahrhunderts bedeutet. Ich nenne hier nur den lutherischen Theologen Dietrich Bonhoeffer und den katholischen Kämpfer für Einheit und Frieden Max Joseph Metzger, dessen Seligsprechung angestrebt wird. Beide sind wie viele andere von den Nazis hingerichtet worden. Auf den Schultern dieser Zeugen der Einheit stehen die neuen Gemeinschaften und stehen wir alle.

Manche dieser Bewegungen und Gemeinschaften feiern in diesem Jahr bereits runde Jubiläen: Stellvertretend seien genannt: die Una-Sancta-Bewegung (70 Jahre), die Fokolar-Bewegung (50 Jahre), das Ökumenische Lebenszentrum Ottmaring (40 Jahre). Solche Jubiläen sind ein Grund zum Feiern, aber auch ein Grund zum Nachdenken insbesondere über ihre ökumenische Bedeutung und ihre Bedeutung für die Zukunft der Ökumene. Das tut besonders uns in Deutschland not. Denn leider sind die neuen Gemeinschaften im Unterschied etwa zu Italien oder Frankreich bei uns noch immer nur spärlich vertreten. Ein wichtiger Impuls der Erneuerung und der Ökumene ist zu unserem eigenen Nachteil weitgehend an uns vorbeigegangen.

Es ist mir darum eine Freude, dass der Förderverein und die Initiative „Unità dei Cristiani“ viele dieser Gemeinschaften einladen konnte und dass diese – allen voran die Mitglieder des Leitungskomitees – der Einladung gefolgt sind. Ich heiße sie hier in Stuttgart herzlich willkommen. Stuttgart steht ja für das Miteinander der christlichen Gemeinschaften. „Miteinander auf dem Weg“ war das Motto ihres zweiten großen Kongresses 2007 in Stuttgart, dem 2004 ein erstes Treffen unter dem Thema „Miteinander für Europa“ vorausging.

Ich erinnere mich noch an die Atmosphäre dieser beiden großen Treffen in Stuttgart: 8.000 bzw. 10.000 Teilnehmer aus zuerst 180, dann aus über 200 Gemeinschaften kamen zusammen. Die Vielfalt der Zugehörigkeit zu Kirchen hätte kaum größer sein können; katholische, evangelische, orthodoxe, anglikanische und freikirchliche Christen aus den unterschiedlichsten Gemeinschaften und Bewegungen mit unterschiedlicher Glaubensgeschichte, Glaubenspraxis und Bekenntnisgrundlage kamen zusammen.

Man wird fragen: Was steckt hinter dem Zusammenkommen so vieler, meist jüngerer Menschen? Gewiss, sie entdeckten sich und freuten sich an der großen Vielfalt und dem neuen Miteinander, das noch vor einem Jahrzehnt kaum denkbar gewesen wäre. Gleichzeitig suchten und fragten sie nach dem weiteren Weg und nach dem Ziel ihres Weges. „Miteinander auf dem Weg“ war ihr Thema! Sie wollten sich besser kennen lernen, aufeinander hören, ihre Erfahrungen austauschen, ihre Gaben teilen und als Freunde miteinander auf dem Weg sein.

Schaut man hinter diese großen Treffen von Stuttgart I und II zurück, dann zeigt sich, dass jede Gemeinschaft zuerst entscheidende Wegstrecken selber zurücklegen musste, um ihre eigene Identität zu gewinnen, ihren Ort in der Kirche zu finden, geistlich zu reifen, um dann über den eigenen Bereich hinausschauen zu können und die anderen Gemeinschaften zu entdecken. Zuerst waren es einzelne Aufbrüche, sowohl im katholischen als auch im evangelischen und freikirchlichen Raum. Es gleicht einem kleinen Wunder, dass daraus keine Alleingänge, sondern in großer Vielfalt ein Miteinander wurde.

Im evangelischen und freikirchlichen Raum gab es bereits seit 1969 Treffen von Verantwortlichen. Mehr als 120 Gruppierungen haben sich in diesen Treffen zusammengeschlossen. Im katholischen Raum war das Pfingsttreffen katholischer Gemeinschaften im Jahr 1998 auf dem Petersplatz in Rom mit Papst Johannes Paul II. ein wahrlich pfingstliches Ereignis. Papst Johannes Paul II. sah in den Bewegungen die Antwort des Heiligen Geistes auf die dramatischen Herausforderungen unserer Zeit. In seiner Predigt sagte der Papst:

„Es ist schön und erfüllt mich mit Freude, zu sehen, dass die neuen Gemeinschaften und Bewegungen das Bedürfnis verspüren, aufeinander zuzugehen und sich ganz konkret bemühen, einander an den Gaben teilhaben zu lassen, dass sie sich bei Schwierigkeiten gegenseitig helfen und zusammenarbeiten, um gemeinsam die Herausforderungen der Neuevangelisierung anzugehen.“

Dieses Aufeinander-Zugehen hatte einen ökumenischen Auslöser: Die Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre in Augsburg am 31. Oktober 1999. Nach den offiziellen Feierlichkeiten begegneten sich im ökumenischen Lebenszentrum in Ottmaring leitende Vertreter der evangelischen wie der katholischen Bewegungen. Sie waren erfüllt von dem Wunsch, miteinander weiterzugehen und dem erreichten theologischen Meilenstein konkrete Schritte des Miteinanders folgen zu lassen. Das ist ein wichtiger Fingerzeig für die Zusammengehörigkeit von theologischem Konsens und geistlicher Bewegung. Beide entspringen der Verheißung Gottes, die sich schon bei den Propheten findet, wir können vielleicht sagen dem Traum Gottes, sein Volk zu sammeln und zu einen und es zum Zeichen und Werkzeug zu machen für den Frieden in der einen Welt. Chiara Lubich brachte es auf die Formel: „Die Partitur wird im Himmel geschrieben“.

Grundlage für den weiteren Weg des Miteinanders der Bewegungen und Gemeinschaften sollte das Zeugnis der Erfahrung gemeinsam gelebter Einheit sein. Dieses Zeugnis sollte in einem Bündnis geschwisterlicher Liebe Ausdruck finden. Chiara Lubich mahnte zu Geduld, zu gegenseitigem Verstehen und Verzeihen, zur Einsicht, dass Versöhnung und Liebe wesentliche Voraussetzungen für ein Miteinander sind, dass Einheit keine von Menschen erzwungene Tat, kein Programm, sondern ein Geschenk Gottes ist, um das wir bitten und für das wir uns bereiten müssen.

Die Einsicht „Miteinander – wie sonst“ schlug schnell Wellen und breitete sich rasch über den Kreis der Verantwortlichen auf die Mitglieder der Bewegungen aus. Schon zwei Jahre später, am 8. Dezember 2001, versammelten sich im Münchner Liebfrauendom im Beisein von Kardinal Wetter und Landesbischof Friedrich über 5.000 Teilnehmer. Wieder wurde deutlich: Wir wollen miteinander weiter gehen. Und auch: Die Kirche braucht die Bewegungen und neuen geistlichen Gemeinschaften – aber auch die Bewegungen brauchen die Kirche, es bedarf des Miteinanders von Institution und Charismen.

Dies heißt: Die Bewegungen und Gemeinschaften sind nicht alles; sie können und wollen sich nicht absolut setzen und keine parakirchliche Institution sein. Sie haben ihre Eigenständigkeit, aber sie müssen mit der Ortskirche verbunden, in den Pfarreien und Diözesen sichtbar sein und diese bereichern. Wenn sie ihrem Charisma treu bleiben, müssen sie sich kreativ in das Leben der Kirche einbringen und dort präsent sein. Dass dabei oft Hürden genommen werden müssen und oft gegenseitiges Vertrauen erst aufgebaut werden muss, gehört zur Erfahrung vieler unter ihnen, ist aber kein Argument, es nicht doch immer wieder damit zu versuchen.

Dieses Postulat scheint mir für den Beitrag, den die Bewegungen und Gemeinschaften für die Ökumene leisten können, wichtig zu sein. Die ökumenische Bewegung ist ja größer und auch älter als sie. Die ersten Anfänge der ökumenischen Bewegung liegen bereits im 18. Jahrhundert in verschiedenen Gebetsbewegungen und Gebetsgruppen, noch bevor die Weltgebetsoktav für die Einheit von den Päpsten aufgegriffen wurde, bevor es im Gefolge der Weltmissionskonferenz von Edinburg 1910 zur institutionellen Ökumene kam, welche 1948 zur Gründung des Weltrats der Kirchen führte und bevor sich die katholische Kirche durch das II. Vatikanische Konzil dieser Bewegung angeschlossen hat. Seither bewegt sich die Ökumene auf verschiedenen Ebenen: lokal, regional, national und universal. Sie ist nicht nur amtliche Ökumene zwischen den Kirchenleitungen, aber sie ist auch dies, und sie hat es als solche weit mehr gebracht als viele wissen oder wahrhaben möchten.

Die bereits genannte Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre ist nur ein Beispiel, die Charta oecumenica und die gegenseitige Anerkennung der Taufe ein anderes. Der Päpstliche Einheitsrat hat in den letzten Monaten ausführlich Bilanz der letzten mehr als 40 Jahre gezogen. Sie wird in wenigen Wochen der Vollversammlung des Einheitsrates zur Diskussion vorgelegt werden. Ob daraus – wie mehrfach gefordert – eine In-via-Erklärung werden kann, muss man abwarten. Deutlich ist auf jeden Fall: Auch wenn wir das Ziel noch nicht erreicht haben, kann sich das bisherige Ergebnis doch sehen lassen. Es ist weit mehr geschehen als man sich vor nur einem halben Jahrhundert auch nur erträumen konnte. Wir haben eine nicht wichtige Zwischenetappe hinter uns gebracht, die ein guter Ausgangspunkt für weitere Schritte sein kann und auch sein muss.

Auf der anderen Seite müssen wir einräumen: In der in der amtlichen Ökumene und ihren offiziellen Dialogrunden ist – zumindest was die Ökumene mit der Kirche der Reformation angeht – nach der Gemeinsamen Erklärung eine Ernüchterung eingetreten. Es geschieht nach wie vor viel, sogar sehr viel, doch der anfängliche Schwung und der Enthusiasmus sind weithin verflogen. Neue Durchbrüche sind seither nicht erreicht worden und auch nicht in Sicht. Dafür gibt es nicht nur eine, sondern gleich mehrere Ursachen. Schuldzuweisungen sind das letzte, das weiterhilft. Es bedarf eines kräftigen neuen Anstoßes, eines neuen Impulses, der nur aus der Dynamis von Gottes Geist kommen kann.

An dieser Stelle scheint mir der besondere und eigenständige Beitrag der geistlichen Gemeinschaften und Bewegungen wichtig zu sein. Nicht dass sie die amtliche Ökumene ersetzen und selbst in die Hand nehmen könnten. Das wollen sie auch gar nicht. Sie haben ihren eigenen und spezifischen Beitrag zu leisten. Fragen wir, worin er besteht. Ich versuche eine Antwort zu geben.

In den Gemeinschaften ist Einheit zuerst ein wesentliches Element ihres eigenen Lebens. Sie stellen keine Forderungen an andere. Sie wollen bei sich selber beginnen. Sie wollen in der konkreten Wirklichkeit vorleben, was es heißt, das Evangelium ernst zu nehmen und gemeinsam zu bezeugen. Sie leben in versöhnter Verschiedenheit. Dazu bedarf es den Mut zu einem neuen gemeinsamen geistlichen Lebensstil von Gebet und Arbeit, Aktion und Kontemplation. Was die Gemeinschaften und Bewegung also einbringen können ist eine gelebte Ökumene des Lebens, die nur als eine geistliche Ökumene möglich ist.
Die geistliche Ökumene ist das Herz der Ökumene. Sie bedeutet – wie der Vater der geistlichen Ökumenismus, Abbé Paul Couturier (+ 1953), deutlich gemacht hat – im Grunde nichts anderes als dass wir uns Jesu Gebet, dass alle eins seien, persönlich zu eigen machen und es im Leben gemeinsam zu buchstabieren versuchen.

Dieses Programm geht zurück bis in die frühen christlichen Gemeinden, von denen die Apostelgeschichte berichtet, dass sie alles gemeinsam hatten. In dieser Weise müssen wir heute wieder neu beginnen, dabei offen und sensibel sein für die Anregungen des Heiligen Geistes, der uns das Evangelium neu buchstabieren lehrt und uns ein neues Verstehen schenken kann, das betroffen macht und zu Herzen geht, welches das Leben verändert und durchdringt. Wir müssen Anfänger werden. Dies erfordert Mut, denn wenn wir um uns blicken, merken wir, dass wir damit in vielem gegen den Strom schwimmen müssen und dass wir doch ein nur kleines Häufchen und eine Minderheit sind.

Doch auch wenn die geistlichen Bewegungen aufs Ganze betrachtet zahlenmäßig klein sind, sind sie dennoch Hoffnungsträger. Papst Benedikt XVI. hat von „kreativen Minderheiten“ gesprochen, die ein revolutionäres Potential besitzen. Doch das geht nicht ohne Umkehr und innere Erneuerung. Was mich hoffen lässt, ist dass die geistlichen Gemeinschaften den siebenmal gescheiten Bedenkenträgern konkrete gelungene Beispiele entgegensetzen können. Sie leben ein Leben der Geschwisterlichkeit und bilden damit ein staatenübergreifendes und auch ein konfessionsübergreifendes Netzwerk. So sind sie Samenkörner und oft erst zarte Pflänzchen, die sich nach dem Evangelium zu einem großen Baum und zu einer größeren Einheit auswachsen können.

Die Gemeinschaften versuchen vor allem eine biblisch fundierte Spiritualität. Über der Bibel haben sich die Konfessionen getrennt, über der Bibel – so die letzte Bischofssynode – müssen wir auch wieder zusammenfinden. Als Gebets- und Bibelgruppen hat die ökumenische Bewegung begonnen; nur als solche kann sie im 21. Jahrhundert Zukunft haben. Wir müssen zu den Anfängen zurückkehren und neu aus ihnen Kraft schöpfen.

Damit können sich die neuen Gemeinschaften und Bewegungen in vielfältiger Weise auf allen Ebenen kirchlichen Lebens einbringen: in kirchlichen Gremien, Kommissionen, Synoden, auf Kirchentagen, bei Gesprächsrunden, Runden Tischen, Symposien und anderem. Dabei sollen sie sich nicht nur – wo immer möglich – aktiv beteiligen, sondern die lebensmäßige und geistliche Dimension der Ökumene deutlich machen und mit beispielhaft gelebter Ökumene die ökumenischen Ereignisse anregen und im Gebet begleiten sollen.

Verschiedene Großereignisse der nächsten Jahre geben dazu reichlich Gelegenheit: Zu denken ist an das Calvin-Jahr 2009, ebenfalls im nächsten Jahr an die Feier von 10 Jahren seit der Gemeinsamen Erklärung, welche in Augsburg und in Chicago begangen werden soll, an den ökumenischen Kirchentag in München im Jahr 2010, an 100 Jahre Weltmissionskonferenz in Edinburgh im gleichen Jahr und an die Luther-Dekade, welche 500 Jahren seit dem Beginn der Reformation in Erinnerung ruft und in seiner geschichtlichen Bedeutung bedenkt.

Dabei können die Gemeinschaften durch die Art ihres Miteinanders zeigen, dass man nicht der Logik der abgrenzenden Profilierung folgen darf, sondern dass es gilt, die komplexe und auch leidvolle Trennungs- und Entfremdungsgeschichte unserer Kirchen nur durch einen alle gegenseitig bereichernden Austausch der Gaben überwunden werden kann. Ökumene soll uns ja nicht wegnehmen, was zu unserer jeweiligen konfessionellen Identität gehört. Sie soll uns nicht ärmer machen, sondern uns durch Begegnung und Austausch bereichern.

Sie können zeigen wie das vielfache „Ja“ der Schlusserklärung von Stuttgart II an „Orten der Hoffnung“ konkret gelebt werden kann, als „Ja“ zur Gemeinschaft mit Gott und als „Ja“ zur Gemeinschaft untereinander, als „Ja“ zum gemeinsamen Zeugnis in und für Europa und als „Ja“ zu einer christlichen Kultur des Mit- und Füreinanders.

Sie, liebe Schwestern und Brüder, vom internationalen Leitungskomitee von „Miteinander für Europa“, stellen sich diesem Anspruch. Ihr unermüdlicher und mutiger Einsatz hat die Jury überzeugt, Sie mit dem Ökumene-Preis der „Unità dei Cristiani“ 2008 auszuzeichnen. Dazu möchte ich Ihnen meinen herzlichen Glückwunsch aussprechen. Der Preis soll einerseits Anerkennung und Dank sein für den bisherigen Weg und den wichtigen bisherigen Beitrag. Er soll gleichzeitig Ermutigung sein, auf den weiteren Wegstrecken nicht aufzugeben, vielmehr unverdrossen durchzuhalten auch dann, wenn es zeitweise steinig und holperig werden sollte. Der Weg zum Ziel der Ökumene, die sichtbare Einheit der Christen, erspart uns den Kreuzweg nicht. Er ist ein Pascha-Weg, d.h. ein immer wieder neuer Durchgang vom Karfreitag zu Ostern, und er soll münden in ein neues Pfingsten.

Duc in altum! Fahrt hinaus auf die hohe See! Habt keine Angst! würde Johannes Paul II., der große Freund der jungen Geistlichen Gemeinschaften, Ihnen auch heute für den weiteren Weg zurufen. Die „Unità dei Cristiani“ hat in ihrem Logo das Emblem der ökumenischen Bewegung aufgenommen: Ein Schiff im hohen Wellengang; aber das Segel ist aufgeblasen und bringt das Schifflein in Fahrt. Lassen Sie sich und lassen wir uns vom Geist Gottes und seiner Dynamis weiter führen und wenn es sein muss weitertreiben. Dann kommen wir in Fahrt, dann stimmt die Fahrtrichtung; dann verlässt uns der Mut und vor allem die Hoffnung nicht. Dann kommen wir mit Gottes Hilfe ans Ziel.